Wo der Teufel gewütet hat

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– Wanderungen am Ferschweiler Plateau und im Müllerthal –

Dieses Mal beginnt die Geschichte vor 200 Millionen Jahren…Es war einmal das Urzeitmeer der Jura-Zeit irgendwo zwischen den Urkontinenten Laurasia und Gondwana, in das wir hineintauchen. In unserer Vorstellung sind wir umgeben von Urzeitmonstern wie dem vier Meter großen Plesiosaurus und dem grausamen Ichtosaurus mit den bis zu 200 spitzen Zähnen. Ammoniten und Belemniten schwimmen herum. Eine urzeitliche Welt, in die wir hineinsteigen wollen.

Aber der Reihe nach: Wieder einmal sind wir in der Eifel unterwegs, in der Südeifel und der Kleinen Luxemburger Schweiz. Unsere Ziele sind das Ferschweiler Plateau und das Müllerthal.

Ein besonderer Anziehungspunkt ist hier die alte Stadt Echternach. Es ist die älteste Stadt im Großherzogtum Luxemburg. Die knapp 6000 Einwohner zählende Stadt an der Sauer wurde vom heiligen Willibrord 698 gegründet. Die ehemalige Reichsabtei Echternach ist berühmt für die im Mittelalter florierende Buchmacherei und auch die Echternacher Springprozession zu Pfingsten ist über die Grenzen bekannt. Sie stammt wohl von germanischen und frühchristlichen Kulttänzen und gehört seit 2010 zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO, aber das Erlebnis haben wir dieses Mal nicht.

Auf dem großen Parkplatz am Eingang zur Innenstadt stellen wir das Auto ab und genießen zu Fuß die interessante Altstadt. Vorbei geht es an der großen Abtei Echternach, dem früheren Benediktinerkloster. Am Marktplatz dominiert eines der ältesten Gebäude der Stadt: das Gerichtshaus. Es wird auch Dingstuhl oder Denzelt genannt und war der ehemalige Justizpalast. Dass es neben dem Gericht auch das Gefängnis und die Folterkammer beinhaltete und heute der Sitz des Standesamtes ist … übersehen wir lieber. Die prächtige Fassade mit Elementen der Gotik und Renaissance zeigen ebenfalls die Bedeutung dieses Bauwerks. Wir gehen weiter in die Rue de la Gare, sie ist die Hauptachse der Fußgängerzone, in der sich Geschäfte und Restaurants aneinander reihen. Plötzlich bleibt bleiben wir etwas verwundert stehen: In großen Lettern steht an in der Schaufensterfassade „Metzlerei“. Wer wird hier gemetzelt? Aber es ist nur eine Fleischerei, die hier im Luxemburgischem „Metzlerei“ genannt wird. Einiges ist anders in Luxemburg, vieles ist frankophiler, besonders was die Nahrungsmittel und den Wein betrifft. Wir lieben es und merken, dass die Stadt sich auch gerne „Klein Paris“ nennt. So landen zum Abschluss der Tour natürlich vor Weinregalen und Fleischtheke und anderen Köstlichkeiten. Dann geht es wieder zurück zum Parkplatz weiter über die Sauer und schon sind wir wieder – ohne es wirklich zu merken – in Deutschland im Gebiet des Ferschweiler Plateaus.

Über Jahrmillionen schwemmten Flüsse und Erosionsprozesse Sand und Gestein in das Urmeer, so dass hier der rund 190 Millionen Jahre alte Meeresboden entstand, der heute als bis zu 70 Meter mächtiger Sandsteinblock das Ferschweiler Plateau bildet. Acht Kilometer mal vier Kilometer groß ist dieses Plateau, in die sich die Bäche und Flüsse wie die Sauer und Prüm hineingruben. Ende der letzten Eiszeit vor rund 12000 Jahren führten die Wechsel von Frost- und Tauperioden zu Erosionsprozessen mit Frostsprengungen und Felsrutschungen besonders an den Rändern des Plateaus. Große und kleine Felsblocken rissen von den Plateaurändern ab und rutschen die Hänge hinunter. Die bis zu 50 Meter aufragenden Felswände bekamen Risse und Klüfte. Bizarre Felstürme und Schluchten entstanden. Sandstein und Dolomit sind die Hauptbestandteile dieser Gesteinsschichten.

Aber noch wandern wir von Ernzen kommend am Ostrand des Ferschweiler Plateaus durch dichten Buchen-Hochwald abwärts in Richtung Teufelsschlucht. Das Naturparkzentrum liegt im Zentrum des Felsenlandes Südeifel und bietet viele Informationen zur Geschichte und Natur der Religion. Im Bistro „Teufels Küche“ gibt es Stärkung, dann geht es weiter zum Dinosaurierpark und endlich in die Teufelsschlucht. Das Naturdenkmal entstand vor ca. 10 000 Jahren durch eine Serie von Feldstürzen. Hohe Buchen umklammern mit ihren Wurzeln die Felsen. Vor uns öffnet sich eine schmale, 28 Meter tiefe Felsspalte von etwa 1 bis 5 m Breite. Ich nehme mir die Zeit für eine schnelle Skizze und genieße so die beeindruckenden Felsen. Dann geht es steil abwärts. Senkrecht aufragende Felswände vermitteln den Eindruck als würde man direkt in die Frühzeit der Erde hineinsteigen: Vor rund 195 Millionen Jahren wurden hier im Urmeer etwa 20 Millionen Jahre lang Sedimente abgelagert, die sich in den folgenden Jahrmillionen zu Sandsteinen verfestigt. Eine Serie von Felsstürzen schuf wohl diese bizarre Landschaft. Wir durchklettern Schluchten und Steige, eine großartige Vielfalt, senkrechte Felsen, einzelne Felsnadeln, bizarre Gesteinsformationen.

Oder hat hier doch der Teufel mit Blitz und Donner gewütet? Es ist ein wenig unheimlich in der Schlucht. Man erzählt sich, der Teufel habe zwischen den Sandsteinen im Felsenland sein Unwesen getrieben.

Der Sandstein ist durchzogen von festem Gestein und Dolomit. Bei der Erosion haben sich wabenförmige, rippenförmige und amöbenhafte Auswaschungen und Gesteinsmuster ergeben. An einer Stelle entdecken wir in dunklen Gesteinshöhlen neonartige Leuchtflechten. Ihnen werden fluoreszierende Eigenschaften nachgesagt. Es ist eine märchenhafte, faszinierende Welt, durch die wir hindurchsteigen.

Im Tal rauscht die Prüm teils rasant über die Felsen, bald aber zahm und ruhig durch das Tal. Das Ferschweider Plateau liegt nun hoch über uns.

Das Felsenland Südeifel hat noch viel mehr zu bieten. Gerade 7 km von Bollendorf entfernt erreichen wir das Rokoko Lustschloss Weilerbach, eine Schlossanlage mit einer ein Hektar großen Gartenanlage und Gartenpavillon, die zu den kulturhistorischen Schätzen der Südeifel zählt. Seit 1991 hat der Eifelkreis Bitburg-Prüm die über 5 Hektar große Anlage übernommen und in vielen Einzelschritten saniert. Für Besucher ist hier leider nichts geöffnet, so dass es für uns bald bergauf durch den Wald geht. Vor uns liegen die „Schweineställe“, es ist eine enge 300 m lange teilweise nur 60 m breite Felsschlucht, in die früher die Bauern ihre Schweine zur Bucheckernmast hineingetrieben haben. Durch die steil aufragenden Felsen waren sie leicht zu bewachen und zu behüten. Bizarr und beeindruckend sind die dunklen, grün bemoosten und ausgewaschenen Felsen. Das Jegerkreuz erinnert als Kreuzskulptur im Sandstein an einen Steinmetz namens Jeger, der hier beim Sandsteinbrechen um kam.

Einige Kilometer weiter erreichen wir eine weitere Besonderheit: Kurz hinter dem Ortsausgang Ernzen liegt der romantisch bizarre Felsenweiher im Gutenbachtal. Um 1830 hat Pfarrer Philipp Meyer im Rahmen einer eigenfinanzierten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme einen Felsenweiher anlegen lassen, um dadurch für die Bevölkerung Arbeit zu generieren und eine Fischzucht anzulegen. Die Fischzucht war nicht erfolgreich, aber geblieben ist ein Weiher inmitten skurriler Felswände mit Nischen, Höhlen, umgeben von Terrassen und Treppen. Ein Steg führt am Weiher entlang. Das Ensemble erscheint wie ein verwunschener Ort, der aus jedem Blickwinkel zu neuen Fantasien anregt: Ist es ein Geisterschloss oder ein Versteck von Elfen und Nixen? Wasser plätschert aus einer Felswand, Efeuranken pendeln herab. Mal sind es düstere Grotten, Mal ist es der helle Widerschein des Sonnenlichts auf der Wasserfläche – es ist ein magischer Ort inmitten dieser Wald- und Felsenlandschaft.

Durch das enge Gutenbachtal geht es weiter Teil abwärts Richtung Sauer und zurück zum Ausgangspunkt.

Es gibt sehr viele Wanderrouten durch diese beeindruckende Felsenwelt am Rande des Ferschweiler Plateaus. Mit der Kleinen Luxemburger Schweiz setzt sich auf Luxemburger Seite die Felsenlandschaft fort. Auch hier haben sich Bäche und Flüsse tief in die Sandsteinplatte eingegraben. Besonders bekannt ist dabei das Teil der Schwarzen Ernz (Schwaarz Iernz), die bei Grundhof in die Sauer mündet. Während der Bach mit seinem Namen kaum bekannt ist, kennt jeder in dieser Gegend den Namen des berühmten Tales: das Müllerthal. Der Natur- und Geopark Mellerdall liegt im Nordosten des Großherzogtums und dehnt sich über eine Fläche von 256 Quadratkilometer direkt an der Deutsch-Luxemburgischen Grenze aus. Wenige Kilometer sind es bis Berdorf.

Unser Startplatz ist dieses Mal der Parkplatz hinter dem Wasserturm Berdorf. Zunächst geht es einen knappen Kilometer durch abgeerntete Felder. Zwei Nilgänse haben sich offenbar hierher verirrt und fliegen laut schnarrend auf, als wir vorbei gehen. Dann geht es zügig zwischen steilen Felsen bergab. Da die rund 30 m bis 50 mächtige Sandsteinplatte auf Keuper –  marin beeinflusste Kalk- und Tonsteine, Sand und andere Fossilienböden aus der Zeit vor 235 bis 200 Millionen Jahren – lagert, haben sich die Flüsse und Bäche auch in diese tieferen Schichten eingefräst. So laufen wir an der Abbruchkante der Sandsteinplatte etwa auf halber Höhe des Tals entlang an einer beeindruckenden Felskulisse. Es geht immer leicht bergauf und bergab, der Weg ist glitschig nass und auf den Felsen rutschig.

Plötzlich wird es über uns laut: Kraniche und ziehen rufend über uns hinweg nach Norden. Es ist wohl der wärmste Februar aller Zeiten dieses Jahr, ca. 6 Grad Celsius wärmer als im Durchschnitt der vergangenen Jahre, da haben die Zugvögel offenbar die Reise in den Norden früh angetreten. Aber wir dürfen nicht zu sehr nach oben schauen. Der Weg geht an vielen Stellen steil auf und ab und die Steine sind feucht und glitschig. Die umgefallenen Baumriesen vermodern unter dichtem Moosbewuchs. Farne überwuchern die Felsen. Ich entdecke Hirschzungenfarn mit seinen länglich-zungenförmigen und glänzenden grünen Blattwedeln. Für mich ist es immer wieder eine besondere Farnart, obwohl es weltweit wohl mehr als 700 Arten dieser Farnfamilie gibt. Mitte des 15. Jahrhunderts wurden dem Kraut Eigenschaften zugeordnet gegen furchtsame Träume, Schwermütigkeit und Traurigkeit. Ein Gebräu dieser Art brauchen wir nicht. Wir sind glücklich, in dieser fantastischen Felsenwelt zu wandern.

Wir passieren eine dunkle Höhle im Fels, die als Keltenhiel, Räuberhöhle, bekannt ist. Uns reicht das Hineinschauen in ein mystisches, dunkles Loch im Felsgestein, ehe wir mit leichter Gänsehaut weiter wandern. Auch hier scheint der Teufel gewütet zu haben.

Inzwischen geht es leicht abwärts und am Ende unserer Talstrecke führt eine lange Treppenreihe hinab zur Straße. Wir wissen, dass wir alles wieder hoch laufen müssen, aber wir wissen auch, dass wir auf etwa vier Kilometern eines der beeindruckendsten Täler durchwandert haben, die wir kennen. Bachtäler, durch die das Wasser zu Tal rauscht, müssen wir über Holzbrücken überqueren eher der schmale matschige Pfad weiter aufwärts und irgendwann wieder zurückführt.

Während wir auf der ersten Tour bachaufwärts das Müllerthal durchwandert haben, führt uns die Route am nächsten Tag rund um Berdorf und bachabwärts durch das Müllerthal. Wieder beginnt unsere Tour am Felsendurchgang Um Meelerbuer, dann wird es immer großartiger. Der mit W3 und B5 gut ausgeschilderte Pfad führt auf und ab durch enge Felsspalten und Durchbrüche an vielen Stellen wird erlebbar, dass die Abbruchkante der Sandsteinplatte, die auf den darunter liegenden Tonsteinen des Keupers lagert, aus geologischer Sicht auch heute eine instabile Zone darstellt. Gleit- und Drift-Prozesse führen an den Plattenrändern zu Gefahrensituationen durch Steinschlag, Rutschungsaktivitäten und zu Kippprozessen, die an vielen Stellen sichtbar sind. An einer Stelle steckt eine Tonnen-schwere Steinplatte in einer engen Felsspalte. Sie ist offenbar vom Rand heruntergekippt – vor 1000 Jahren oder vor 10000 Jahren.

Derartige Prozesse übersteigen unsere Zeitvorstellungen. Die Erdfallgebiete und Gefahrenzonen sind aber auch heute noch messbar und nachweisbar. Untersuchungen hierzu liegen vor. (siehe hierzu: Quelle Hendrik Hövel & Mirco Alberti & Richard Dikau, Mainz Nov. 2015). Wir erreichen nach einer beeindruckenden, aber nur gut einen Kilometer langen Strecke das Felsenlabyrinth Werschrummschlüff mit dem Predigtstull, einen Aussichtspunkt. Ein kleiner blauer Pfeil leitet uns weiter durch das Felslabyrinth. Es wird enger und dunkler. Wir fühlen uns wie eingeklemmt zwischen den steil aufragenden Felsen. Eingezwängt und bedrohlich wird es und so tönt es plötzlich aus der engen Spalte vor uns: „Ich will hier raus, ich habe Angst!“ Für uns ist es der Grund aus dem Felslabyrinth herauszusteigen und zurück nach Berdorf zu wandern.

Wir sind nur kurze Strecken den insgesamt 112 km langen Müllerthal-Trail gewandert – da haben wir noch viele Gründe zum Wiederkommen. Für uns waren es nachhaltige Erlebnisse in einer Felslandschaft die vor Millionen von Jahren entstanden ist. Manchmal haben wir uns gefühlt wie Wanderer in einer anderen Welt.