Giganten der Meere – Erlebnisse mit Walen

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Mir fällt eines meiner vielen Tagebücher in die Hände: „Felseninseln zuäußerst im Meer – Eine Kajakfahrt in schwedischen Schären 1994“.Wir waren damals vier Wochen bis zum 10. August mit dem Kajak unterwegs – am 02.September wurde unsere Tochter geboren. Und so steht es im Tagebuch:
Anke kann nicht so gut laufen mit ihrem zusätzlichen 7 kg Lebendgewicht im Bauch, und so legen wir immer wieder Pausen bei unserem Lübecker Stadtbummel ein. Nach dem Rundgang entdecken wir noch die Ausstellung „Die Welt der Wale“….Wir sind begeistert von der Greenpeace-Walausstellung, von den nachgebildeten Walen, den Ausstellungstafeln und den Videofilmen. Unser siebenjähriger Sohn Nils beteiligt sich an einer Greenpeace-Aktion und sendet dem norwegischen Botschafter in Bonn ein Fax mit Zeichnungen von Walen und folgendem Text: „So habe ich Wale erlebt, sie sollen leben!“.
„In Bonn haben wir unseren Freund Baby Joe“, erzählt Nils der netten Greenpeace-Mitarbeiterin, die am Fax steht. „Ist das ein Ausländer?“, höre ich sie fragen und wende mich lachend ab, während Sohnemann sich weiter mit ihr über Walerlebnisse mit seinem großen Freund unterhält.
Die nette Dame konnte es ja nicht wissen: Unser Freund ist kein Ausländer, aber die meisten Walerlebnisse hatten wir gemeinsam. Und hier beginnt die eigentliche Geschichte über unsere Erlebnisse mit Walen – die Giganten der Meere.

Woher stammt die Faszination WAL? Wir haben es unseren Kindern nicht anerzogen, und trotzdem sind sie von klein auf fasziniert von diesen Geschöpfen, die nicht nur durch ihre enorme Größe beeindrucken – so sehr, dass die riesigen Wale lange Zeit als Meeresungeheuer galten. Im antiken Griechenland waren sie ein Synonym für Schönheit, Stärke und Intelligenz. In vielen alten Kulturen waren sie sagenumwoben. Mythen und Märchen umgaben sie.
Auch Lukian von Samosata trug wahrscheinlich dazu bei. Der bedeutendste Satiriker der griechischen Antike schilderte in seiner „Wahren Geschichte“:
„ … es herrschte eben eine große Windstille, und das Meer war so glatt wie ein Spiegel. … kaum waren wir zwei Tage auf dem Meere gefahren, als sich gegen Sonnenaufgang eine Menge Walfische und andere Seeungeheuer sehen ließen. Unter den ersten zeichnete sich besonders einer durch seine Größe aus, denn er war nicht weniger als fünfzehnhundert Stadien lang …“ (Ich vermerke hier extra die Quelle: Gesa Holsten: Das Inselbuch, S. 108. Nach Google misst das alte Längenmaß „Stadion“ 165 – 196 m ; fünfzehnhundert Stadien sind also rund 294 000 Meter oder knapp 300 Kilometer!) In der „Wahren Geschichte“ schildert Lukian von Samosata wie sein Boot vom Wal verschluckt wird und das Leben im Bauch des Riesentieres wie in einer eigenen Welt weiter geht. – Hat Herman Melville bei seiner Geschichte „Moby Dick“ dem frühen Satiriker auf die Feder geschaut?
Der Mythos WAL hat also eine lange Geschichte. In anderen alten Beschreibungen heißt es, dass bereits der griechische Gelehrte Aristoteles wusste, dass Delfine keine Fische, sondern Säugetiere sind. Heute weiß man, dass es Geschöpfe sind, deren Urahnen vor 50 Millionen Jahren vom Land zurück ins Meer gingen. Galten sie deshalb in der Antike als heilige Geschöpfe? Auch am anderen Ende der Welt bei den Maoris in Neuseeland wurden sie verehrt.
Ungeheuer, sagenumwobene oder heilige Geschöpfe – oder doch nur Giganten der Meere, die gnadenlos verfolgt werden können? Bereits Felszeichnungen und Knochenfunde belegen, dass schon vor 7000 Jahren Wale gejagt wurden. Höhlenmalereien belegen in Skandinavien eine Jahrtausend alte Tradition des Walfangs.
Aber erst im 16. Jahrhundert setzte eine so gnadenlose Jagd auf die großen Meeressäuger ein, dass Anfang des 20. Jahrhunderts die Wale fast ausgerottet waren. Im Jahr 1596 brachten Mitglieder der Willem Barentsz-Expedition von der legendären Suche nach der Nordostpassage die Kunde mit nach Hause, dass es vor Spitzbergen reiche Vorkommen an Walen geben würde. Es begann eine erbarmungslose Jagd. Basken, Holländer, Engländer, Dänen, Franzosen und Deutsche machten Jagd insbesondere auf Grönlandwale, die sehr langsam schwimmen, auch tot noch an der Oberfläche treiben und tranreiches Fettgewebe haben. Auch aus Norddeutschland zogen 250 Jahre lang tausende Walfänger im Frühjahr zum Walfang und Spitzbergen verwandelte sich im 17. Jahrhundert zu einem Zentrum des Walfangs. Um die Walfangstationen muss der Gestank, der dicke rußige Qualm aus den Tranöfen, das spritzende Fett und Öl aus den Blubberbottichen atemberaubend und nahezu unerträglich gewesen sein.
Wir sind 1977 etwas weiter südlich der historischen Walfangzentren um Smeerenburg, der Hamburgbukta und des Magdalenenfjordes mit den Kajaks unterwegs im Eisfjordgebiet Spitzbergens.
Am 25. Juni 1977 schreibe ich in mein Tagebuch: „Kurz vor unserem Ziel Carolinendalen werde ich auf eigenartige Bewegungen im Wasser aufmerksam. Eine Herde von etwa 25 Weißwalen zieht in Richtung Eisfjordmündung an mir vorbei. Wasserfontänen entstehen beim Ausatmen und die mächtigen Rückenpartien sind zu sehen.“

Ein paar Tage später notiere ich am 18.Juli 1977 am Kapp Thordsen: „ … hundert Meter weiter entdecke ich einen ziemlich großen Walwirbel, der vielleicht sogar von einem großen Grönlandwal stammt, der muss natürlich gleich als Hocker zum Zelt geschleppt werden.“

Das mit dem späten Frühstücken kam dadurch, dass wir am 78. Breitengrad nördlicher Breite so weit nördlich unterwegs waren, dass es im Juli tags und nachts nahezu gleich hell war und sich dadurch unser Tagesrhythmus total verschoben hatte. „Der lange Tag“, so überschrieb ich das Tagebuch, dieser Polartag dauerte für uns ca. neun Wochen. 1512 Stunden ging die Sonne für uns nicht unter, die Tageszeiten waren nicht zu unterscheiden. Begriffe wie Tag und Nacht, wie morgens und abends verloren ihre Bedeutung, so dass sich unser Tagesrhythmus so sehr verschob, dass wir gegen 6 Uhr in die Daunenschlafsäcke krochen und gegen 16.30 Uhr zu frühstücken begannen – es war eine unserer beeindruckendsten Touren sowie unsere ersten Begegnungen mit Walen und der Geschichte des Walfangs.
Aber war der Walfang zu diesem Zeitpunkt schon Geschichte? Erinnerungen und meine Tagebücher belegen es anders: Ein paar Jahre später nach einer fantastischen Tour in den Eisfjorden Westgrönlands waren wir im Sommer 1983 wieder – vom Eis gefangen – auf der Reise nach Ostgrönland unterwegs. Auf unserer Route nahmen wir uns vier Wochen Zeit für eine Islanderkundung. Auch dort nahmen uns die Erlebnisse mit Walen auf drastische Art gefangen und erinnerten uns an die Geschichten aus Spitzbergen, denn Island gehörte zu diesem Zeitpunkt noch zu den Walfangnationen. In Hvalfjördur, knapp 70 Kilometer von Reykjavik entfernt, gab es eine Walfangstation.
Es war der 72. Tag unserer Arktisreise. Am 30. 08. 1983 schreibe ich in mein Tagebuch die Erlebnisse an der Walfangstation in Hvalfjördur:
„Zwei Walfangschiffe liegen vertäut am Anleger. Die meisten jungen Männer sind bereits beim Zerlegen des ersten Wales, ein Wal liegt noch am Fuß der großen Rampe, zwei weitere Wale hängen noch längsseits des einen Fangschiffes. Es sind Finnwale, die in das Schussfeld der Harpunen geraten sind. Ich hatte das Ganze für eine blutrünstige Angelegenheit gehalten, aber die Tiere sind schon weitgehend ausgeblutet. Trotzdem stehen die Männer mit ihren Gummistiefeln in einem Gemisch aus Blut, Wasser und Fett. Metalldornen unter ihren Hacken verhindern, dass sie in dem öligen Schmierkram ausrutschen. Gleich nachdem der Wal auf der Plattform liegt, fangen die Schlachter am Kopfende an mit dem Zerlegen. Seilwinden werden eingehakt. Die Haut und die dicke Speckschicht werden abgezogen und geschnitten, das Fleisch wird herausgetrennt und zerteilt. Die Knochen werden mit der großen Dampfsäge in Stücke gesägt. Überall quietschen die Seilwinden, dampfen die Maschinen, schaben die Messer – alles wird jedoch noch übertönt durch eine schrecklich quäkende Lautsprechermusik.“

Mit flauem Gefühl im Magen verlassen wir dieses Horrorszenario und unterschreiben bald danach eine von Greenpeace initiierte Petition gegen den Walfang der Isländer und der anderen Nationen. Aber erst mit Schreiben vom 06.10.1989 erhalte ich eine erlösende Nachricht von Greenpeace:
„Es hat sich gelohnt! Der Boykott isländischer Fischereiprodukte … konnte erfolgreich beendet werden.“ Es sollte kein Abschuss der großen Meeressäuger mehr genehmigt werden. Aber dieser Walfang-Stopp bedeutete noch keinen sicheren Sieg für die Zukunft der großen Bartenwale im Nordatlantik. Aber es war ein weiterer wichtiger Schritt zum Schutz dieser Giganten der Meere.
Insgesamt gibt es 86 Arten von Walen. Erdgeschichtlich erfolgte nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen vor ca. 29 bis 39 Millionen Jahren die Trennung der Wale in Bartenwale und Zahnwale. Auch Delfine und Tümmler gehören zur Ordnung der Waltiere (Cetacea). Der lateinische Ordnungsname ist eine Wortzusammenstellung von dem griechischen Ketos „Seeungeheuer“ und dem lateinischen Cetus „großes Meerestier“. Dabei sind nicht alle Wale groß. Die kleinste Walart, die Schweinswale, erreicht gerade eine Länge von bis zu 2,5 m. Der riesige Blauwal ist der Supergigant. Und hier will ich ein Vorurteil aufklären: Immer wieder werden die Dinosaurier – insbesondere der Jura-Zeit vor ca. 150 Mio. Jahren – als die größten Giganten der Erde bezeichnet. Zwar sind die Größe und das Gewicht nur aufgrund der Funde und der darauf basierenden Berechnungen zu bestimmen. Der bisher größte Dinosaurierfund ist nach meinem Kenntnisstand der Seismosaurus aus dem Jura. Er wird nach den Berechnungen auf 32 m Länge und 80 bis 100 Tonnen Körpermasse geschätzt. Blauwale können nach den neuesten wissenschaftlichen Ermittlungen eine Länge von 33 m und eine Körpermasse von bis zu 200 Tonnen erreichen. Auf jeden Fall ist damit der noch lebende Blauwal das schwerste Tier der Erdgeschichte, welches ein Alter von über 100 Jahren problemlos erreichen kann. Er ist damit der größte Gigant der Erde! 2007 wurde das Alter eines Grönlandwales mit 211 Jahren bestimmt.
Aber es handelt sich bei diesem Artikel nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung, sondern viel mehr um die Beschreibung von Begegnungen mit diesen teilweise gigantischen Meerestieren. Es sind wahrhaft gigantische Vorstellungen und Erlebnisse. Sicher steckt hierin auch eines der Geheimnisse dieser herrlichen Tiere.
Es waren aber nicht nur die großen Arten, die uns beeindruckt haben. Die lustigen und unvergesslichen Erlebnisse hatten wir auf unserer Kajaktour 1982 im Doubtful Sound im Fjordland Nationalpark auf der Südinsel von Neuseeland.

Weiter schreibe ich am 24.03.1982 in mein Tagebuch:
„Wir genießen die Landschaft und das Wetter, unser Tagesziel, eine Beach irgendwo am Ende des Crooked Arm, ist nicht so weit. Plötzlich, schon einige Kilometer hinter Turn Point, tauchen sie auf: Delfine, dieses Mal sind es 8 bis 10 Tiere (vermutlich Bottlenose Dolphin oder Großer Tümmler). Was dann folgt sind ca. 1 ½ Stunden Delfin-Vorführungen. Wir lassen uns meist treiben mit schussbereiten Kameras. Einzelsprünge, Zweiersprünge und Sprungfolgen von mehreren Delfinen durcheinander. Sie schrauben sich aus dem Wasser bis auf 4 bis 5 Meter Höhe. Neugierig umkreisen sie uns und scheinen fast mit uns zu spielen. Bis auf 2 Meter kommen sie an uns heran und tauchen im letzten Moment unter uns hindurch, dass wir ihre auf der Bauchseite weißen Leiber nur ein bis zwei Meter unter uns erkennen. Anke wird es mulmig, es ist ihr etwas zu hautnah, wie wir diese verspielten Künstler erleben.“

Zu gerne wäre ich beim Spielen auch unter Wasser mit dabei gewesen, aber eine Taucherausrüstung im Kajak, das wäre sicher zu viel geworden. So kann ich nur die Freunde beneiden, die Delfine in ihrem Element, dem Wasser, erlebt haben.
„Am 30.08.2018 ist dieses Bild als Teil eines Unterwasservideos nahe des Stadtviertels Sahl Hasheesh in Hurghada, Ägypten, entstanden. Wir hatten eine Stelle im Roten Meer angefahren, an der Delfine häufig gesehen worden sind. Ich habe versucht, etwas Abstand zu halten, um die Tiere nicht zu sehr zu stören“ so berichtet mir Michaela begeistert von ihrer Unterwasserbegegnung mit den Delfinen. – Ein beneidenswertes Erlebnis, das ich mit ihrer freundlichen Erlaubnis zeige.

Mit ca. 40 Arten stellen die Delfine die größte Walfamilie dar. Sie zählen zu den Zahnwalen. Die Fernsehserie Flipper hat sie berühmt gemacht. Da diese Delfinart in allen Ozeanen vorkommt, wird immer wieder von Begegnungen mit diesen Tieren berichtet.
Eine andere Zahnwalart ist spektakulär: Von Roy Chapman Andrews wird dieser Wal als Mörder bezeichnet. Es ist der Schwertwal, auch Orca, Killerwal oder Butskopf genannt und wird als angriffslustig und wild beschrieben. Auch dieser Wal gehört zur Familie der Delfine und ist weltweit verbreitet.
Wir haben ihn besonders 1990 in der Inside Passage von Alaska erlebt, wo eine Gruppe von Orcas viele Kilometer lang unser Schiff begleitete und mit ihren spitzen Rückenfinnen und massigen Körpern das Wasser durchpflügten.

Dagegen sind die nur bis 6 Meter langen Weißwale die „Kanarienvögel der Meere“. So werden sie wegen ihres kommunikativen Verhaltens und vor allem wegen ihrer Sangesfreude und des großen Klang-Repertoires genannt. Die Weißwale oder Belugas gehören zu den Grundelwalen und zählen ebenfalls zur Familie der Zahnwale. Da sie in arktischen und subarktischen Gewässern auftreten, war es kein Wunder, dass wir sie in Spitzbergen gesehen haben. Ein besonderes Erlebnis hatten wir jedoch auf unserer Alaska-Tour 1991 am Turnagain Arm im Cook Inlet. Am 17.08.1991 schreibe ich in mein Tagebuch:
„Der Turnagain Arm, ein prächtiges Inlet in einer großartigen Landschaft und mit einem gewaltigen Tidenhub. Bei bestimmten Tiden donnert eine bis zu zwei Meter hohe Flutwelle rund eine Stunde nach Niedrigwasser in das Inlet – ein gewaltiges Naturschauspiel. „Turn again“ soll Cook deshalb seinen Leuten befohlen haben – der Namensgeber! Wir erleben das Inlet jetzt bei Hochwasser und entdecken einen riesigen Trupp von mindestens 100 Belugas. Die Wale ziehen nur wenige Meter vom Ufer entfernt aus dem Inlet.“ Deutlich sind die besonderen Merkmale dieser Walart zu erkennen: Sie haben keine Rückenfinne und die alten Tiere sind cremeweiß. Aber nicht alle leuchten so weiß. Frisch geboren sind Belugas schiefergrau bis braun, ab ein Jahr sind sie blaugrau und erst nach fünf Jahren sind sie bläulich-weiß bis cremeweiß. Auch in unserem großen Trupp sehen wir dunklere und hellere Tiere – für uns ist es ein unglaubliches Naturerlebnis, von dem auch unser zu dem Zeitpunkt 4-jähriger Nils noch lange berichten wird.

Aber schon ein Jahr zuvor hatten wir die großen Bartenwale zusammen mit Nils in Alaska erlebt. Ein sicheres Zeichen zum Erkennen von Walen auch auf größere Entfernung ist das Ausblasen der Atemluft. Da die Wale von den Landsäugetieren abstammen, gleichen auch ihre Körperfunktionen denen der an Land lebenden Säugetiere. Beim Anhalten der Atemluft unter Wasser schaffen es einige Walarten bis zu 45 Minuten. Beim Anhalten des Atems erwärmt sich die Luft und kondensiert als Dampfstrahl beim Auftauchen und Ausblasen. Dieses Ausblasen verursacht ein weit zu hörendes fauchendes oder orgelndes Geräusch und eine hohe Dampf-Fontäne.
Wieder einmal blättere ich in meinen Tagebüchern und werde bei den Aufzeichnungen unserer Canada/Alaska-Tour 1990 „Westcoast Story“ unter dem 22.08.1990 fündig:
Blue Mouse Cove, Glacier Bay: Lautes Schnaufen auf dem Fjord lässt uns aufhorchen. Ein großer Wal zieht in Richtung Muir Inlet. Immer wieder steigt die Atem-Fontaine empor, Buckel und Rückenflosse ragen aus dem Wasser.“ Nils ist zu diesem Zeitpunkt noch 3 Jahre alt und feiert wenige Tage später mit uns im Zelt seinen vierten Geburtstag. Kein Wunder also, dass er das Meeresungetüm vor uns nur schwer begreifen kann. Noch einige Male sehen wir im Bereich der Glacier Bay die Atem-Fontänen aufsteigen, aber erst fünfzehn Tage später sehen wir die Grauwale in der Toquart Bay / Vancouver Island:
„Ein paar Mal tauchen sie auf, Fontänen und graue Buckel sind zu sehen. Dann tauchen sie ab und die große Schwanzflosse wölbt sich aus dem Wasser. Für rund fünf Minuten tauchen sie, ehe sie wieder an die Oberfläche kommen, und das Spiel geht von neuem los.“

Grauwale sind – obwohl sie mit am häufigsten beobachtet werden – etwas ganz Besonderes: Sie pendeln jährlich zwischen der Arktis und dem Golf von Kalifornien. Im Golf sind sie im Winter zur Fortpflanzung, um dann im Sommer bis in die arktischen Gewässer zu ziehen. Es sind damit die Säugetiere mit der längsten Wanderung. Ihr Körper ist übersät mit Narben, Seepocken, Muscheln und Walläusen. Auf den Fotos sieht man deutlich die weißen Stellen auf der dunklen Walhaut.
Inzwischen sind wir so nahe an den bis zu 15 Meter langen und bis 40 Tonnen schweren Tieren, dass uns mulmig wird, wenn sich die mächtige Schwanzflosse aus dem Wasser wölbt. Grauwale gelten als gesellig, verspielt und familiär. Auch wenn man den Tieren nicht zu sehr menschliche Eigenschaften zuordnen sollte, so zeigten ihr Verhalten doch in den Beschreibungen uns vertraute Regungen: Wurde das Walkalb von den Walfängern im 19. Jahrhundert verfolgt, attackierte die Walkuh die Walfänger so aggressiv, dass Grauwale von den Walfängern den Beinamen „Teufelsfisch“ erhielten. Trotzdem wurden sie gradenlos gejagt und fast ausgerottet. Erst die späte Unterschutzstellung führte dazu, dass die heutigen Bestände auf rund 22.000 Tiere geschätzt werden.
Auch die Buckelwale sind häufig in Küstennähe zu beobachten. Diese Furchenwale werden ähnlich groß wie die Grauwale, leider haben wir nie die großen Wale in Fotonähe aus dem Wasser springen sehen, sodass wir ihre großen Brustflossen nicht erkennen konnten. Nur von weitem sahen wir ein gewaltiges Aufspritzen, wenn die Riesen wieder ins Wasser klatschten. Meist jedoch zogen sie laut blasend an uns vorüber, dass wir nur ihre massigen Leiber aus dem Wasser ragen sehen konnten.

Nur zu gerne wäre ich ins Wasser gestiegen und hätte mit Tauchausrüstung die Giganten in voller Größe und Schönheit erlebt. So beneide ich immer Freunde, die uns von derartigen Begegnungen unter Wasser berichten:
Unser Freund Bernhard ist an vielen Stellen auch unter Wasser mit Fotoausrüstung unterwegs gewesen und berichtet von seinem wohl beeindruckendsten Tauchabenteuer vor der Thailändischen Küste im Bereich Phuket:
„Wir waren in kleiner Gruppe mit unserem Tauchlehrer gut 30 Meter tief, als plötzlich ein Walhai gesichtet wurde. Uns war etwas mulmig als wir das große Tier direkt vor uns hatten. Aber unsere Angst wich der Neugier und da der Tauchlehrer keine Probleme signalisierte, verhielten wir uns ruhig. Plötzlich stellte sich der Walhai senkrecht vor uns ins Wasser, so dass der Kopf zur Wasseroberfläche zeigte. Es ist ein typisches Verhalten dieser Art, erklärte uns der Tauchlehrer später. Der Walhai hatte eine Anzahl von Fischen als Begleiter. Waren es Schiffshalter, die sich mit ihren Saugplatten an dem Wal festhielten? Einige hatten sich an seinem Körper wie Parasiten festgesaugt. Beherzt griff der Tauchlehrer zu und riss einige von der Haut. Der Walhai verhielt sich weiterhin so, als ob er es genießen würde, von lästigen Parasiten befreit zu werden, er hat uns als seine Putzerfische offensichtlich akzeptiert. Minuten später verschwand er dann wieder in den blauen Fluten- aber uns blieb die Erinnerung an eines der beeindruckendsten Taucherlebnisse.“ (Bericht mit freundlicher Genehmigung von Bernhard S.)

Aufnahmen von Bernhard S., leider ohne Walhai

Walhaie gehören nicht zu den Walen, nur der Name deutet darauf. Aber es sind Fische, die größten der Gegenwart, und sie erreichen eine Länge von bis zu 13 Metern mit bis über 12 Tonnen Gewicht. Das Besondere an dieser Art ist es, dass Walhaie bis zu 300 lebende Junge gebären. Als Nahrung wird Plankton und Krill aus dem Wasser herausgefiltert, bis zu 6000 Liter Wasser je Stunde können durch das große Maul aufgesaugt und gefiltert werden. Der gräulich oder bräunliche Riesenfisch hat auf dem dunklen Rücken helle Streifen und Flecken. Er lebt in Meeresregionen mit 21 bis 25 Grad Celsius Wassertemperatur, kein Wunder also, dass er sich vor Phuket wohl fühlt.
Wir beneiden unseren Freund Bernhard um derartige Erlebnisse und können nur träumen von Walen, Haien und den Giganten der Meere.