Schottland Hebriden Symphonie

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Schottland    Hebriden – Symphonie

Keine Angst -jetzt wird’s nicht musikalisch, und so habe ich auch wie üblich nicht das große Konzert im Sinn, sondern das Paddeln. Und wenn ‚ s mich auch beim Paddeln manchmal überkommt zu singen – was anderen in der Badewanne gestattet ist, wird mir ja auch beim Paddeln erlaubt sein. – In Bezug auf die großen Orchesterwerke bleibe ich ein Stümper. Aber selbst einem Musikbanausen wie mir hat sich die Hebriden-Symphonie von Felix Mendelssohn-Bartholdy so eingeprägt , dass ich beschließe, alles selbst zu erkunden , die Hebriden und Staffa, die Insel auf der sich der Komponist angeblich zu dieser Konzertouvertüre inspirieren ließ.

Die kleine Insel, etwas abseits der heutigen Touristenströme, war im 19. Jahrhundert „in“ bei der haute volé: Keats, Scott, William Turner, Queen Victoria, Jules Verne, sie alle waren dort; .dichteten, malten, oder wollten eben nur dort gewesen sein.

Nächsten August reise ich nach Schottland mit einer Harke für Volkslieder, einem Ohr für die schönen duftigen Gegenden“, so schrieb es Felix Mendelssohn Bartholdy in einem Brief am 26.3.1829 an seinen Freund Klingemann, „und einem Herz für die nackten Beine der Bewohner“ nur für die Beine? Weiter aus seinem Brief vom 29.8.1829 bereits am Abschluss seiner Schottlandreise: „••• wenn wir dann alle zusammensitzen (nämlich die Mädchen und ich, die Brüder lass ich schießen und jagen und spiele den sanften Deutschen) …“

Aber schön der Reihe nach, zunächst sind Anke und ich noch in Oban, dem Ausgangspunkt unserer Hebriden-Tour. Hier gibt es die erste Überraschung: Ein Kolosseum, dem in Rom entfernt ähnlich, auf einem der höchsten Hügel der Stadt. Dabei waren die Römer doch in Schottland mit ihrem Latein am Ende.

Bevor mein Geschichtsbild ins Wanken gerät, klärt sich der Fall: Der wohlhabende Bürger John Stuart Mc Caig ließ diesen Tower um 1895 bauen, um arbeitslose Einwohner zu beschäftigen. Sehenswert sind außer dem Dunollie Castle noch einige Highland-Festivals – man muss nur zur rechten Zeit dort sein.

Wir tuckern wenig später mit der Fähre in Richtung Craignure, dem Fährhafen auf der Insel Mull. Es fängt an zu regnen, als wir über den Firth of Lorne fahren. In der düsteren Regenstimmung wirken die Klippen und Inseln der Umgebung durch ihre karge Vegetation noch unwirtlicher und rauer. Es entsteht eine „hochnordische Atmosphäre“ – möglich, dass ich diesen Eindruck nur erhalte, weil ich allmählich nasse, kalte Füße an Deck bekomme. Die raue Landschaft gefällt uns trotzdem ausgezeichnet. An das Wetter müssen wir uns aber erst noch gewöhnen. Immerhin haben wir irgendwo die beruhigende Beschreibung eines milden maritimen Klimas gelesen: Temperaturen unter minus 3 Grad Celsius und über 20 Grad Celsius sollen hier äußerst selten vorkommen. Auswirkungen des Golfstromes. Aber das Gebiet ist schon eine echte Wetterecke. Die atlantischen Tiefs treffen an der Westküste auf die erste Barriere und so gibt es hier doppelt so viel Regen wie an der Ostküste und die heftigsten Herbst- und Frühjahrsstürme sind das Ergebnis. Die trockensten Monate sind März bis Juni, im Juli regnet es wieder mehr, wir bekommen es zu spüren.

Auf Mull angekommen gießt es in Strömen, aber ich setze mein Vertrauen auf das wechselhafte Wetter – und richtig, bald hat der starke Westwind die Regenwolken weitergeschoben. Zufällig sehe ich in einer herumliegenden Zeitung die Wettervorhersage: 13 Grad Celsius auf den Orkneys, 27 Grad Celsius in Berlin! Alle reden vom Wetter, in Schottland ein überaus dankbares Thema und eine Möglichkeit, jeden Schotten in ein längeres Gespräch zu verwickeln. Zu Gesprächen ist man jederzeit bereit, haben die Schotten auf Mull doch in ihren oft einsamen Gehöften und bei der Viehzucht wenig Abwechslung. Wo sie allerdings bei den harten Gegebenheiten die Ruhe und den Humor hernehmen, bleibt mir rätselhaft.

„Nice weather today, isn`t it?” ,meint ein Schotte zu mir, dabeihat es doch gerade vor fünf Minuten aufgehört zu regnen!

Wir sind unterwegs, die Insel kennen zu lernen. Mit 907 Quadratkilometern ist Mull weitaus kleiner als Skye, die große Insel der Inneren Hebriden. Es ist eine Inselwelt, die als die Fortsetzung des Schottischen Hochlandes erscheint. Es sind ja auch nur schmale Sunde, welche die Inseln vom Festland trennen, die Landschaft bleibt die gleiche.

Mendelssohn beschreibt in seinem Brief vom 3. August 1829 das Hochland: „Der Sturm heult, saust und pfeift … trostloser Wolkenzug am Himmel, und trotz alle des Wind- und Wasserlärms, trotz des Knechtsgesprächs und Thürklappens ist es still! Still und sehr einsam. Ich möchte sagen, dass die Stille durch den Lärm durchdringt … Das Land ist weit und breit dick bewachsen und belaubt. Von allen Seiten stürzen reiche Wasser unter den Brücken vor, wenig Korn, viel Heide mit braunen und rothen Blumen, Schluchten, Pässe, Kreuzwege, schönes Grün überall, tiefblaues Wasser, aber alles ist ernst, dunkel, sehr einsam.“

Eine Herde von zottig braunen und gefährlich aussehenden Rindern trabt plötzlich vor uns über die Straße. Sie scheinen hier Vorfahrt zu haben, bleiben einfach in Straßenmitte stehen und wenden Ihren Kopf zu uns herüber. Die großen Gehörne flößen uns doch Respekt ein, aber sie sehen offenbar gefährlicher aus, als sie sind, und so geben sie bald den Weg wieder frei. In dem kleinen Ort Tobermory  kaufen wir noch ein, besonders wichtig ist uns der Kauf von frischem Fisch – und bald duften die gegrillten „Headocks“, kleine Schellfische, vor unserem Zelt.

Ein paar Sonnenstrahlen erwecken am nächsten Tag die Hoffnung auf eine Wetterbesserung und so packen wir unsere Kajaks, um unsere Inselerkundungen per Boot fortzusetzen. Als wir endlich von dem kleinen Anleger der Fähre zwischen Mull und Ulva starten, sehen uns einige Fischer nach, die gerade mit ihrem Boot angelegt haben. Wir müssen die Paddeljacken überziehen, der Gegenwind treibt uns die Wasserspritzer ins Gesicht. Das Salzwasser brennt etwas in den Augen, aber es bringt Spaß, endlich wieder mit dem Kajak unterwegs zu sein.

Nur einige Höfe sind auf der Insel Ulva zu sehen, ansonsten ist es total einsam an dieser Westküste im Bereich der Inneren Hebriden. Krähenschaben und Gryllteiste fliegen vor uns von den kahlen dunklen Klippen. Einige Seehunde schwimmen neugierig um uns herum, wir sehen nur ihre runden Köpfe aus dem Wasser ragen. In einer Bucht der Insel Gometra lockt eine günstige Zeltmöglichkeit. Wir haben erst einmal genug Salzwasser ins Gesicht bekommen und steuern die Bucht an. Doch wir sind bei Hochwasser gestartet und landen jetzt bei entsprechend niedrigem Wasserstand an. So bekommen wir den beträchtlichen Tidenhub zu spüren und müssen erst einmal Boote und Ausrüstung über die glitschigen, algenbewachsenen Steine schleppen. Die Sonne scheint, als wollte sie uns eine freundliche Begrüßung senden. Aber dieser Eindruck ist nur von kurzer Dauer. Auch am nächsten Tag hält das wechselhafte Wetter an und der Wind bläst kräftig aus Südost. Es sind zwar nur wenige Kilometer offenes Wasser bis zur Insel Staffa, unser eigentliches Ziel dieser Tour, aber kräftiger Seitenwind und ständige Salzwasserdusche – wir geben unser Vorhaben auf und paddeln wieder im Windschatten der Inseln an den kahlen Vogelfelsen mit Krähenscharben und Gryllteisten vorbei zu unserem Ausgangspunkt.

Wieder stehen einige Fischer am Anleger. „Es gibt hier kein schlechtes Wetter“, verbessert mich der Schotte, als ich ihn befrage, ob das Wetter weiterhin so schlecht bleiben wird. Er grinst und fährt fort, sich in sein dickes Ölzeug einzupacken. Das ist auf jeden Fall notwendig, denn als sein kleines Boot wenig später wieder ausfährt, wird er reichlich geduscht.

Vor fast 200 Jahren muss der gute Felix wohl ähnliches Wetter erwischt haben. Aus seinem Brief vom 07. August 1829: „Um Euch zu verdeutlichen, wie seltsam mir auf den Hebriden zu Muthe war, fiel mir eben folgendes bei“. Auf dem Brief folgen die Noten des Eingangsmotives der Hebriden-Ouvertüre.

Da kann doch etwas nicht stimmen mit der Inspiration und der Höhle auf Staffa. Die wurde nämlich erst am 8. August besucht, aber da war Mendelssohn wohl nicht zum Komponieren aufgelegt.

„ … je tiefer der Barometer fiel und je höher die See ging. Das that nämlich der Atlantische – das reckte seine tausend Fühlfäden immer ungeschlachter und quirlte immer mehr“, schildert Karl Klingemann in seinem Brief vom 10.August 1829 die Überfahrt nach Staffa,

„Die Schiffsregierung behielt ihr Frühstück fast allein, denn wenige vermochten die Tassen zu handhaben und überhaupt fielen die Ladies um wie die Fliegen, und ein und der andere Gentleman that`s ihnen nach“

Auch bei uns will das Wetter nicht besser werden, es bleibt wechselhaft und regnerisch – eben schottisch – während wir die Insel Mull wieder verlassen und die North West Highlands ansteuern. Eine kurvenreiche Straße führt nach Glenelg, herrliche Landschaft unter düsterem Wolkenhimmel. Aber hier in Schottland gibt es für Kenner immer einen Trost: Der Whisky gehört zu den Grundnahrungsmitteln – und der tut bei kaltem Regenwetter so gut. Aber oft hilft auch eine schöne Tasse mit heißem englischen Tee und echten homemade cakes.

Aus meinem Schottland-Tagebuch „The Scottish Highlands and Islands“:

Das westschottische Hochland mit seinen Lochs und den weiten baum- und strauchlosen Moorflächen nimmt uns immer wieder gefangen. Einsame Burgruinen wie Old Castle am Loch Assynt schaffen eine fast mystische Stimmung.