Deutschland – Eine Flussfahrt zum Verlieben – Eine Lahntour

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Wie kann ein Zeltplatz, über den auf einer rostigen Eisenbahnbrücke die Züge donnern, auf der anderen Seite die Autos und Motorräder vorbeidröhnen und die Kanu-Verleiher den Tagestouristen ihre 10-Minuten-Lektion in Sachen Kajakfahren geben – wie kann ein solcher Zeltplatz diese Atmosphäre erzeugen? – Ist es die Lahm, die sehr gemächlich in Richtung Rhein treibt? Oder ist es der sehr schöne Blick auf den kleinen Ort Obernhof – über die Lahnbrücke hinweg geht der Blick auf die Kirche und die am Berghang entlang gestaffelten Häuser bis zu den oberen Weinhängen.

Denn Obernhof ist der letzte Weinort mit eigenem Lahnwein: Riesling, Rivaner, Spätburgunder. Die edlen Trauben vom Goethberg werden im Lahn- Weingut von Uwe Haxel angebaut und so in Mittelrhein-Wein verwandelt.

„Das Anbaugebiet ist so klein, dass es sich nach EU-Richtlinie nicht mehr Lahnwein nennen darf“, erzählt Uwe Haxel, der Weinbauer beim Ausschenken, so dass wir den guten Tropfen genießen können. Auch das gehört zu den Dingen, die wir lieben an der Lahn.

Am nächsten Morgen geht es per Auto nach Balduinstein. Der kleine Ort mit Burgruine und verwinkelten Gassen hat wie so viele Lahnorte einen Bahnhof, der halbstündlich in beiden Richtungen angefahren wird – eine perfekte Situation zum Nachholen oder Vorbringen der Autos. Direkt unterhalb des Bahnhofs ist eine gute Eisatzstelle, so dass wir bald klar zur Abfahrt sind.

Schnell liegen die wenigen Häuser des Ortes hinter uns, und vor uns erstreckt sich eine tiefe Waldschlucht mit teilweise undurchdringlichen grünen Flussufern. Die Waldschlucht, in die wir eintauchen, hat fast etwas Unwirkliches: Sind wir fern der Heimat in den einsamen Weiten ferner Länder. Der Alltags-Streß liegt jedenfalls bald schon weit hinter uns. – Aber die Wirklichkeit holt uns schnell mit Macht ein: Vor uns durchkreuzt eine wilde, kreischende Horde Eintagspaddler in Mietkanus im Zickzackkurs das Wasser, und dann kommt noch das, was für Lahntouren so typisch ist: Eine Schleuse.

Als der Schleusenwärter das Zeichen auf „Grün“ schaltet, fahren wir mit der kreischenden Horde in die Scheusenkammer und werden dort ca. 5 m abgesenkt. Rund 200.000 Badewannen voller Wasser werden für ein paar Paddler abgelassen, den Schleusenwärter zahlt dedr Steuerzahler. „Gute Fahrt! Heute ist ja nicht viel los! „ ruft er uns herunter, dann wendet er sich seinem Streß-Job wieder zu – schließlich wartet ein Motorboot auf die Bergfahrt.

Drei Schleusen und 19 Flusskilometer sind es und bei all diesen Nebensächlichkeiten genießen wir die teilweise von steilen Felsen eingegrenzte, meist einsame Walschlucht und das üppige Grün der Uferbereiche.

Teichrosen wiegen sich leicht in den Wellen, wenn wir vorbei fahren. Die runden gelben Blüten mit ihren dicken Stempeln ragen aus dem Wasser, während die großen runden Blätter wie flache Teller die Wasseroberfläche bedecken und große grüne Teppiche bilden über die die blauen Wasserjungfern mit glitzernden Flügeln herumtanzen.

Immer wieder scheuchen wir bei unserer leisen Fahrt entlang der Ufer Tiere auf: Mal ist es ein junger Rehbock, Mal eine Ricke, meist aber sind es Graureiher, Enten, Bachstelzen und kleine Singvögel, die am Ufer nach Nahrung suchen.

Nach knapp 5 Stunden erreichen wir unseren Platz in Obernhof. Für 3,7 € sind zwei Stationen Bahnfahrt an der Reihe. Dann beginnt wieder die Erholung auf unserem Lieblingsplatz, der dieses Mal für Aufregung sorgt: „Grabowski“ – ein Maulwurf hat sein Erdloch verlassen und versucht nun verzweifelt, sich wieder in den zu trockenen, harten Boden einzugraben. Nun muss er erst ein Fotoshooting überstehen und dann die „Tierliebe“ von vier Kindern, denen meine Fotoaktion nicht unentdeckt geblieben sind. Der etwa 8 jährige Felixstopft Grabowski in seien Hosentasche und meint: „Da fühlt er sich wohl, weil es da dunkel ist und jetzt suche ich Regenwürmer.“ Etwas später kann seine Mutter ihn davon überzeugen, dass auch ein Maulwurf seine Freiheit braucht. Unser Grabowski ist sicher kurz vor dem Herzinfarkt, als er wieder zurück in sein dunkles Erdreich entlassen wird.

Die Sonne ist schon längst hinter den hohen Bergen untergetaucht. Bald wird es dunkel im Lahntal. Wir sitzen vor dem Zelt, genießen den Goetheberg-Tropfen in Weiß und Rot. Vor uns aus dem Wald ruft der Waldkauz – jetzt kann es für unseren Maulwurf brenzlich werden, wenn er sich wieder an die Oberfläche traut. Plötzlich fliegen kleine Irrlichter vor uns herum. Glühwürmchen, die mit ihren natürlichen im Körper eingebauten „Laternen“ die Partner anlocken wollen. Der Tanz der Glühwürmchen ist für uns ein romantischer Tagesabschluss.

Am nächsten Tag sind 37 Grad Hitze im Schatten angesagt – zu heiß für eine Paddeltour ungeschützt vor den Sonnenstrahlen auf dem Wasser. Wir beschließen, eine Besichtigungsfahrt zum Dom nach Limburg zu machen und stellen nach ca. 30 km Anreise fest: Die Altstadt von Limburg ist eine der schönsten Fachwerk-Altstädte die ich kenne. Unterhalb des Domes staffeln sich an schmalen verwinkelten Gassen die herrlichsten Fachwerkhäuser den Berg hinauf. Auf den kleinen Plätzen sind Tische und Stühle aufgestellt, die Restaurants und Cafés haben Hochbetrieb, aber trotz der vielen Menschen ist es eine tolle Atmosphäre. Für uns hat ein kleiner Spanier das richtige Menü bereit.

Danach landen wir auf dem Domplatz. Der Dom mit seinen Türmen erhebt sich weit hin sichtbar über die Stadt. Aber wir können ihn zunächst nicht besichtigen: Eine Hochzeitsgesellschaft belegt den Dom. Erst in einer Stunde können wir ihn besichtigen, meint der Türvorsteher. So setzen wir uns auf eine Bank am Rande des Domplatzes. Bald setzt sich eine Frau mit einem Pekinesen neben uns – Ich muss wohl tief eingeschlafen sein und beginne laut zu schnarchen…Eine andere Frau schaut besorgt auf den Pekinesen und meint zu Frauchen: „ Oh, bekommt er schlecht Luft?“ „Nein, der bekommt gut Luft“, erwidert Frauchen. „Aber er macht beim Atmen so komische Geräusche!“ „Nein, das ist der Mann nebenan, der schnarcht!“ – Erst bei dieser Bemerkung wache ich auf und kann das breite Grinsen in einigen Gesichtern erkennen. Dabei habe ich doch nur von der herrlichen Flussfahrt auf der Lahn geträumt und von der schönen Feh, der ich dort just im dem Moment begegnete, als die Realität mich aus allen Träumen riss.