Das hängende Männlein und der goldene Schuh der Venus

Auf der Suche nach Orchideen

Faszinierend und geheimnisvoll wirken sie durch ihre farbenfrohen fremd-schönen Blüten, ihre Verschiedenartigkeit und ihre Exotik – die Orchideen. Als Zuchtformen bringen Phalaenopsis- und Cymbidium-Arten exotische Eleganz und das Gefühl von Hochwertigkeit in unsere Wohnungen, edle Blüten mit einem Hauch von Luxus. Ihre Blütezeit erreicht hier beachtliche Rekorde: Meine weiße Phalaenopsis blühte mehr als drei Monate und trieb danach sofort neue Blütenstände aus.

Viele Menschen projizieren die Bilder bunter und verschiedenartiger Orchideen vor allem in das Reich des tropischen Regenwaldes. Als „Königin des Regenwaldes“ werden sie tituliert. Aber es gibt sie auch bei uns und in vielen anderen Regionen als wild wachsende Pflanzen, die auch ohne menschliche Eingriffe und Züchtungen ihre Vielfalt und Besonderheit behalten haben. Weltweit gibt es insgesamt 20 000 bis 30 000 verschiedene wilde Orchideenarten. Eine genaue Zahl anzugeben ist kaum möglich. Im Zeitraum von 1990 bis 2000 wurden pro Jahr 200 bis 500 neue Arten beschrieben. Die artenreichsten Gattungen wachsen in tropischen Verbreitungsgebieten. Zu ihnen gehört auch Gewürzvanille als kultivierte Nutzpflanzen-Orchideenart. Etwa 250 Orchideenarten kommen in Europa, Ostasien und Nordamerika vor. In Deutschland werden ca. 60 Arten aufgelistet.

Auch wenn wir keine Botaniker sind, so können wir uns der Faszination gegenüber den Orchideen nicht entziehen und sind wieder einmal unterwegs auf Orchideensuche. Dieses Mal sind wir besonders gespannt und die Faszination, Orchideen zu erleben, nimmt uns schon bei der Anreise gefangen. Gilt doch der Begriff Orchidee in der Sprache als Metapher für ausnehmend schön und selten zu finden, so suchen wir dieses Mal tatsächlich etwas besonders Schönes und sehr Seltenes: den Gelben Frauenschuh. Wir müssen weit fahren, denn von Bonn bis nach Thüringen sind es rund 400 km. Ob sich die weite Reise lohnt, wird sich noch herausstellen.

Zum Glück müssen wir nicht immer so weit fahren, um den Zauber der Orchideen zu entdecken. Schließlich haben wir die Eifel vor der Haustür und da Orchideen auf mageren Trockenhängen der Mittelgebirge und warmen Kalkböden zu finden sind, lohnt sich hier die Suche nach den besonderen Schönheiten. Wir starten kurz hinter Arloff, wandern entlang an Schlehen- und Weißdornbüschen. Etwas unterhalb liegt der museale Ausbau einer römischen Kalkbrennerei. Die antike Kalkfabrik mit damals sechs nebeneinander liegenden Kalköfen wurde von römischen Legionären in der Zeit von 150 nach Christi bis 300 nach Christi betrieben. Seit dem 27. 07. 2021 ist die Anlage als „Römische Kalkbrennerei Iversheim“ Teil der UNESCO Welterbestätte „Niedergermanischer Limes“ eingetragen. Wir befinden uns hier am Nordrand der Sötenicher Kaltmulde, denn die Eifel entstand vor 300 bis 400 Millionen Jahren durch ein tropisches Meer, das auch die Bereiche der Eifel flutete. Es entwickelten sich Korallenriffe, die in der Folgezeit versteinerten. Die runden Kuppeln der Eifel, die struppigen und dornigen Hecken aus Schlehen- und Weißdorngestrüppt wechseln mit steilen, kahlen Magerrasenflächen. An den niedrigen Weißdornbüschen hängen die Misteln zum Greifen nah. Den Sagen nach soll ein Mistelzweig Glück, Mut und Gesundheit bringen. Aber ich glaube an die andere Sage und warte lieber bis Weihnachten, um meiner Liebsten unter dem Mistelzweig einen Kuss zu geben und so ein glückliches Paar zu bleiben. In England nannte man die Beeren der Mistel im 18 Jahrhundert angeblich auch Kuss-Kugeln.

Jetzt im Frühjahr – es ist Ende März – beginnen die Primeln und die Veilchen zu blühen. Die kleinen Küchenschellen sind schon fast verblüht, denn sie blühen schon, wenn der Schnee den Frühling noch nicht ganz freigegeben hat. Sie bilden die winzigen Farbtupfer in einer fast düsteren kargen Landschaft Die weiß leuchtenden Rindenstreifen einiger Birken setzen ihre Akzente in das sonst noch relativ monochrome Bild aus Braun und Ockertönen. Aber dennoch lässt sich der Frühling offenbar nicht verleugnen, denn wir entdecken erste zarte Orchideenblätter auf den Magerrasenflächen: Mattgrün mit einer gut erkennbaren Längsaderung. Ohne Zweifel, sie kommen wieder. Sie haben sich nur, um Eis und Kälte zu entgehen, nach der Blüte und Samenzeit in ihre Knollen und Wurzelstöcke zurückgezogen. Der Name Orchidee stammt übrigens aus dem griechischen Sprachraum und bedeutet übersetzt „Hoden“ wegen dieser Merkmale.

Es ist wie ein Zauber: Wenn die „Kinder des Lichts“ die wärmende Frühlingssonne spüren, treiben die Orchideen ihre Blütenstängel empor und entfalten ihr magisches Erscheinungsbild, wir kommen wieder.

Ein paar Wochen sind vergangen und wir sind wieder bei Iversheim unterwegs. Wie verzaubert ist der Trockenrasen. Mit ständigem Blick nach unten, um keine Orchidee zu beschädigen, geht es auf dem mittlerweile ausgetretenen schmalen Pfad durch ein wahres Orchideen-Paradies. Es waren die blass-grünen Blätter des Männlichen Knabenkrauts (Orchis mascula), die wir im Frühjahr als erstes gesehen haben. Jetzt haben sich die purpurroten Blüten wie eine Ähre um den Stängel entwickelt. Dicht und farbintensiv wirken die Blütenähren nahezu Barock überladen. Ein langer Sporn ragt hinter der dreilappigen Lippe. Diese Orchidee ist eine auffallende Erscheinung auf dem noch kurzrasigen, braunen Trockenrasen.

Die Fliegenragwurz (Ophrys insectifera) blüht hier besonders üppig. An vielen Stellen entdecken wir die kleinen schlanken Stängel mit zahlreichen kleinen Blüten. Wie kleine Insekten, die an einem Stängel kleben, daher der Name insectifera. Die Fliegenragwurz ist die häufigste der vier Ragwurzarten in Deutschland. Sie ist kleiner als ihre drei anderen Arten, aber sie wirkt auf uns wie eine kleine zarte Zaubergestalt.

Auch das Ohnhorn (Aceras anthropophorum) erinnert an eine kleine Zwergengestalt. Wir entdecken die seltene Orchidee vor lichtem Gebüsch am Hang des Trockenrasens. Es sind kleine, eher unscheinbar Ocker getönte Blüten: Ein grün-gelber Helm wölbt sich über eine ockerfarbene Lippe, die bei näherer Betrachtung aussieht wie ein Männchen oder eine Puppe: „Hängendes Männlein“ oder „Puppenorchis“ wird sie deshalb auch genannt.

Aber der Trockenrasen hat noch weitaus mehr zu bieten. Es sind die Knabenkräuter, die mit ihren teils hohen Blütenständen das Bild bestimmen. Es gibt so viele Knabenkrautarten, dass es mir schwer fällt, sie zu bestimmen. Aber das Brandknabenkraut (Orchis ustulata) ist unverwechselbar. Gut zu erkennen ist diese Art, wenn die Blütenähren oben ihre angebrannt-roten Knospen haben. Das Purpur der Knospen und der Blütenhelme kontrastiert mit den weißen und rot gepunkteten Lippen. Die ganze Blütenähre wirkt wie ein Hochzeitskleid mit weißer Schleppe und einer vor Glück und Ergriffenheit errötenden Braut.

Die Fantasie scheint mit mir ein besonders magisches Spiel zu treiben. Ist es der Zauber, der uns hier umgibt?

Eine Gruppe Orchideen mit stattlichen Blütenständen ist nicht zu übersehen: Auf langen Stängeln ragen die großblütigen purpurnen Blütenähren über das Gras hinaus. Die weiß-roten Lippen sind mit purpurroten Punkten besetzt. Es ist das Purpurknabenkraut (Orchis purpurea), die wohl stattlichste Orchidee auf dem Magerrasen.

Da kommt die Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha mit ihrem grünlich-weißen Blüten fast ins Hintertreffen, aber mit ihrem zarten an Vanille erinnernden Duft hat auch sie das betörende Etwas, was die anderen Blumen des Trockenrasens übertrifft.

Dabei werden auf den Trockenrasenflächen mehr als 40 verschiedene Pflanzenarten aufgelistet. Uns fallen besonders die gelben Sonnenröschen, die blutroten Karthäuser-Nelken und die dunkelblauen Blüten des Wiesensalbeis auf. Auch wenn wir sie heute etwas vernachlässigen, gehören sie alle in das Konzert des Trockenrasens. Das ist aber auch für die Orchideen noch nicht ausgespielt, denn die Große Händelwurz (Gymnadenia conopea) mit ihren zahlreichen rosa-violetten Blüten und dem außerordentlich langen Sporn entfaltet bis in den Juli hinein ihre duftende Blütenpracht.

Etwas versteckter am Rande des offenen Waldes entdecken wir dann auch noch das Eiförmige Zweiblatt (Listera ovata) So unscheinbar diese kleine grünliche Blüte auch ist, auch sie ist eine Orchidee, allerdings mit einem sehr zurückhaltenden Charme.

Im Schatten des Waldrandes entdecken wir ein weiteres Schmuckstück in der Familie der Orchideen: das Rote Waldvögelein (Cephalanthera rubra) Diese Orchidee gilt sogar als eine der schönsten Orchideen. Mit ihren rosa bis rot-violetten Blüten wirkt sie zierlich und anmutig und mit der Fantasie eines Naturromantikers erkenne ich das kleine namensgebende Vögeleien, das mit geöffnetem Schnabel und mit ausgebreiteten Flügeln wie die Sopranstimme im Chor der Orchideen singt.

„Du hast jetzt genug fotografiert und fantasiert“, ruft Anke. Es ist Zeit für ein Picknick auf den Kalkfelsen am Rande des Trockenrasens. Auch das gehört zu unseren Wandertouren.

Anders als die farbenfrohen Lichtgestalten in der großen Familie der Orchideen sind die Orchideen aus der Gattung der Sumpfwurze eher etwas geheimnisvoll, oder liegt es nur an ihren etwas versteckten Standorten? Wir sind wieder unterwegs in einem alten Naturschutzgebiet bei Bad Münstereifel Es ist ein Kalkmoorbiotop, das in großen Teilen verbuscht und mit Zitterpappeln, Bergahorn und Sandbirken bewaldet ist. Die extensiv genutzte Wiese geht über in eine Kalkflachmoorfläche, die mit Schilfröhricht überwuchert ist. Mit 419 Gefäßpflanzenarten zählt das Gebiet zu den artenreichen Feucht- und Mager-Grünlandbiotopen, die für uns besonders interessant sind, denn die Aufzählung der Rote Liste Arten ist hier lang. Auf der nassen Wiese blüht fast verborgen durch die dichte umgebende Vegetation eine der heimlichen Orchideen die Echte Sumpfwurz (Epipactis palustris). Die nickenden Blüten an den hohen Stängeln machen es etwas schwierig, schöne Fotos zu machen, denn auch diese Orchideen mit ihrer rötlich-grünen Blütenhüllblättern und der auffällig geformten weißen Lippe ist eine bezaubernd schöne Art und birgt etwas Märchenhaftes in sich. Auch die Breitblättrige Sumpfwurz (Epipactis helleborine), die ich zufällig im schattigen Gebüsch entdecke, ist sofort als Sumpfwurz zu erkennen. Ich komme immer wieder an diesem Standort, denn sie gehört zu den spätblühenden Orchideen und ist von Juli bis Anfang September zu bewundern.

Auch wenn unsere Reisen nicht immer der Orchideensuche dienen, so landen wir doch oft fast ungewollt in Gebieten, in denen die Suche nach Orchideen lohnenswert ist. So geht es uns bei unseren Fahrten zu den Bienenfressern im Kaiserstuhl. Er gehört inzwischen zu unseren Lieblingsgebieten und abgesehen von den ornithologischen Highlights und den kulturellen und kulinarischen Besonderheiten ist es eine ganz besondere Kultur- und auch Naturlandschaft. Zum Naturschutzgebiet Bollenberg im Elsass ist es von dort nicht weit. Es ist ebenfalls an lohnenswertes Ziel für Orchideenfans. Es ist wohl die Ausstrahlung der großen Halbtrockenflächen, die uns hier fasziniert. Die bunten Blumen vermitteln die harmonische Fröhlichkeit eines Brautstraußes, der sanft auf den Bergkuppen liegt. Karthäuser-Nelken, Johanniskraut, Natterkopf und Königskerzen leuchten um die Wette. Auch Orchideen entdecken wir. Im Kaiserstuhl soll es 33 Arten geben. Viele Arten sind schon verblüht wie z. B Knabenkrautarten und auch Fliegenragwurz, aber einige entdecken wir noch. Hummelragwurz (Ophrys fuciflora) und auch die etwas kleinere Schwester Bienenragwurz (Ophrys apifera).

Die Blüten beider Arten sind so bezaubernd schön, dass ich mich kaum überwinden kann, vorsichtig weiter zu gehen. Die feinen schwulstigen Blütenlippen sind verschieden gemustert, dass das Staunen über die besondere Evolution der Orchideen und deren Ergebnisse uns fasziniert. Forscher haben herausgefunden, dass sich Orchideen vor rund 80 Millionen Jahren entwickelt haben. Neue Ergebnisse belegen, dass es an der Bestäubung unterschiedlichster Bienen- und Insektenarten liegt, welche die Entwicklungen mitbestimmt haben.

Die Unterschiedlichkeit wird auch bei einer weiteren Art sehr deutlich. An vielen Stellen der kalkigen Trockenwiesen, oft unter lichtem Gebüsch sehen wir die farblich eher unscheinbaren, aber dennoch fremdartig und skurril aussehenden Blütenähren der Riemenzunge, auch Bocks-Riemenzunge (Himantoglossum hircinum). Das Gewirr der meist hoch aufragenden Blütenähren besteht aus vielen gedrehten und langen Riemen, es sind die etwas absonderlich ausgeformten Blütenlippen, die diese Orchideenart so unverwechselbar machen.

Pyramidenorchis, auch Hundswurz (Anacamptis pyramidalis) mit ihren prächtigen kaminroten Blüten und Helm-Knabenkraut (Orchis militaris) blühen noch auf den Trockenrasenflächen. Namensgeber dieser Knabenkrautart ist wieder einmal die besondere Gestalt der einzelnen Blüten. Sie sieht aus wie ein kleines Männchen, der Kopf ist grau oder hellpurpurfarben und wirkt wie ein Helm über einer Lippe, die so geteilt ist, als ob sie Ärmchen und Beine hätte. Viele Insekten umschwirren die Blüten. Auch Schmetterlinge wie Bläulinge und Schachbrettfalter so wie Distelfalter flattern umher. Smaragdeidechsen huschen durch das Gras.

Pyramidenknabenkraut Helmknabenkraut Helmknabenkraut

Nun haben wir auf unseren Touren bereits rund 20 Arten der zauberhaften Orchideen gesehen, aber es fehlt uns noch ein Highlight dieser Familie, der Frauenschuh.

Da kommt uns wieder unser Freund Peter zu Hilfe: „Ihr müsst nach Thüringen fahren. Bei Großkochberg gibt es tolle Standorte“, rät er uns. Er hat damit einen Nerv getroffen: Thüringen ist nicht nur ein tolles und sehr interessantes Bundesland, es ist schließlich auch das Land meiner Vorfahren. Pößneck und Ranis sind die Orte, in denen meine Eltern Kindheit und Jugend verbracht haben und in dem meine Mutter beerdigt wurde. Das ist mehr als eine Aufforderung, wieder einmal dorthin zu reisen.

So sind wir unterwegs, nach Thüringen sind es rund 400 km. Ob sich die weite Reise lohnt, wird sich noch herausstellen.

Unser Ziel ist zunächst der „Thüringer Hof“ in Rudolstadt, den wir trotz vieler Straßenbaustellen in unserem Zielort endlich erreichen. Ich muss als erstes einmal wieder Thüringen atmen. Auf der Suche nach Thüringer Flair lande ich in einer kleinen Schenke, eine etwas verrauchte Eckkneipe. Sechs ältere Thüringer sitzen darin. Das Köstritzer Schwarzbier kostet nur 2, 50 € der halbe Liter, das ist so viel wie in Köln 0, 2 Liter Kölnsch. Aber plötzlich entdecke ich: Mein Bierglas steht auf einem Bierdeckel von Peter Joseph Früh Cölner Hofbräu. So ist Deutschland wohl zusammengewachsen. Allerdings bin ich hier der einzige „Fremde“ und verstehe von meinen Tischnachbarn keinen Ton, wenn sie sich im Thüringer Dialekt unterhalten. Aber ich muss ohnehin zurück, im Hotel warten Thüringer Rostbrätel auf mich. Auch da weiß ich, dass ich in Thüringen bin.

Es ist ein schöner Blick aus dem Hotelzimmer am nächsten Morgen: Über den Dächern von Rudolstadt thront die große Heidecksburg. Das Schloss ist ein mächtiges dreiflügeliges Barockschloss. Auf einem Sockelgeschoss wurden drei Wohngeschosse und ein Satteldach errichtet. Das Fürstentum hatte offenbar großen Raumbedarf, denn ich zähle eine drei geschossige Front mit 39 Fenstern in einer Reihe und es gibt noch weitere Flügel. Es war die Residenz des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt. Von hier aus liegt unser Orchideengebiet bei Großkochberg nur noch 13 km entfernt. Wir fahren durch eine hüglige Landschaft, die Straße schlängelt sich kurvenreich an großen Grünflächen entlang. Sie wirkt wie ein riesiger Golfplatz, keine Blüten, keine hohen Gräser, kein Strauch ein gleichförmiger Grünacker. Mit Tempo 30 km/h geht es durch kleine Dörfer, dann liegt das Schloss Kochberg vor uns. Aber wir haben keine Zeit für Schlossbesichtigungen auch wenn Goethe hier seine Spuren hinterlassen hat. Hinter dem Schloss am Freibad gibt es einen Parkplatz, auf dem bereits ein paar Autos stehen. Ein nettes älteres Ehepaar meint, dass es von hier zu den Frauenschuh-Orchideen nicht mehr weit ist. Vielleicht hätte ich besser auf ihre Waden geschaut, denn es geht erst einmal stetig bergauf, dass wir ins Stöhnen kommen. Am Wegesrand ist eine bunte Blumenpracht zu erleben, aber Orchideen sind nicht zu entdecken. Die weißen Anemonenblüten des Großen Windröschens (Anemone silvestris) blühen in großer Zahl am Wegesrand. Sie werden auch Schneeglöckchen-Anemone oder Schneeglöckchen-Windblume genannt. Es sind zarte weiße Blüten, die sich in einer leichten Briese wiegen. Dazwischen ragen die großen Blütenähren des Purpurknabenkrautes wie Leuchttürme heraus. Zeigen sie uns den Weg zu unserem Ziel, den Frauenschuh-Orchideen an?

Aber es geht erst einmal weiter bergauf, dann durch Waldgebiete. Aufmerksam suche ich die Lichtungen nach Orchideen ab, vergeblich. Eine Wandergruppe kommt mir entgegen. Die nette Frau beschreibt einen Weg, an dem ich bestimmt Orchideen finde. Vorbei an einer Schutzhütte geht es links zu einer weiteren Aussichtsstelle, dann rechts einen schmalen Weg entlang. Langsam weiß ich nicht mehr, wo ich bin und ich habe das Gefühl, in einem unbekannten Wald herum zu irren. Zum Glück treffe ich eine Wandergruppe und ein netter Thüringer bietet an, mich ihnen anzuschließen, denn auch sie sind auf Orchideensuche. Aber sie wissen, wo es sie gibt. So folge ich einfach, ohne zu wissen, wo es hingeht. Bald landen wir auf einem schmalen Hangweg, eher ein Trampelpfad, aber mein Orientierungssinn sagt mir, dass es auf einer Höhenlinie wieder in Richtung Auto geht. Der Mischwald wird etwas lichter. Direkt am Weg entdecken wir Purpurknabenkraut und das Weiße Waldvögelein (Cephalanthera damasonium). Die meisten weißen Blüten sind ganz oder halb geschlossen, sodass der gelbe Fleck auf der Lippe kaum zu erkennen ist. Dennoch ist es ein zierliches Geschöpf im Halbschatten des lichten Waldes.

Am Hang wird es offener und dann sehen wir sie im Steingeröll in lockeren Gruppen, die wohl bekannteste Orchidee: Frauenschuh (Cypripedium caleolus). Oft sind es große Gruppen dieser prächtigen Orchidee und die gelben Blütenlippen leuchten in der Sonne. Sie sind die Namensgeber für diese Orchidee: „Caleolus“ oder „kleine Pantoffel“, in der Beschreibung heißt es deshalb auch „Lippe pantoffelförmig“, aber ist das die richtige Assoziation für eine solche majestätische Rarität? Im englischen Sprachraum wird sie als „Lady Slipper“ oder „Slipper Orchid“ bezeichnet. Aber ist Pantoffel-Orchidee der richtige Ausdruck für eine so schöne und besondere Pflanze? Da gefällt mir der auch verwendete Name für Frauenschuh schon etwas besser: „Venusschuh“. Der goldene Schuh einer wunderbaren Frau. Wer denkt da nicht an die bezaubernd hübsche Venus von Botticelli? In meiner Fantasie sind es aber kleine leuchtende Laternen wie aus einer anderen Welt, einer Märchenwelt, die mich verzaubert. Eine Majestät unter den Orchideen, eine „Königin des Waldes“ – für die kein Weg zu weit ist.